Aktuell sind nach der Fachanwaltsordnung vom 01.07.2009 genau 20 Fachanwaltschaften verfügbar. Für jede sind gesonderte besondere Kenntnisse nachzuweisen (vgl. §§ 8 bis 14m FAO).
Ausgangspunkt für die Überprüfung der Voraussetzungen zur Erteilung der Befugnis eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, ist nach §§ 4 bis 6 FAO der Nachweis der besonderen theoretischen und praktischen Kenntnisse. Dabei darf der Fachausschuss prüfen, ob die theoretischen Kenntnisse nachgewiesen und ob die aufgelisteten Fälle unterdurchschnittlich, durchschnittlich oder schwierig sind und inwiefern sie der Gewichtung unterliegen (BayAGH 26.05.2004 I-13/03).
Immer dann jedoch, wenn der Antragsteller Unterlagen, die den Anforderungen nach §§ 4 bis 6 FAO entsprechen, vorlegt, darf darüber hinaus nicht die fachliche Qualifikation eines Bewerbers geprüft werden (BGH 23.09.2002 – AnwZ (B) 40/01 = BRAK-Mitt. 2003, S. 29).
Der Nachweis erfolgt im Regelfall durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachlehrgang. Der Nachweis muss Angaben enthalten,
Ausnahme (§ 4 Abs. 3 FAO):
Von der Teilnahme an einem Fachanwaltskurs kann nur abgesehen werden, wenn besondere theoretische Kenntnisse nachgewiesen werden, die dem Inhalt eines Fachlehrgangs entsprechen (§ 4 Abs. 3 FAO). Vorzulegen sind Zeugnisse, Bescheinigungen oder andere geeignete Unterlagen.
Möglich ist nach der Rechtsprechung des BGH auch der Nachweis der theoretischen Kenntnisse durch die Vorlage von Richterbestätigungen (BayAGH 25.09.2002, BRAK-Mitt. 2002, 85; Schleswig-Holstein. AGH 15.08.2002 – 2 AGH 3/02, BRAK-Mitt. 2002, 87 und 04.05.2004 – 2AGH 2/03, BRAK-Mitt. 2004, 179)
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 19.06.2000 (BRAK-Mitt. 2000, 256 = NJW 2000, 1645) „Richterbestätigungen“ als „andere geeignete Unterlagen“, die § 6 Abs. 1 FAO zulässt, anerkannt: Damals war es ausreichend, dass dem Strafverteidiger in 26 Stellungnahmen amtliche Vertreter der Justiz, leitende Oberstaatsanwälte, Präsidenten der zuständigen Oberlandes-, Land- und Amtsgerichte überdurchschnittliche – theoretische – Leistungen bestätigt hatten.
Nur in einem weiteren Fall hatte – soweit veröffentlicht – die Rechtsprechung (der Schleswig-Holsteinische AGH) Richterbestätigungen darüber hinaus anerkannt: Es handelte sich um einen Familienrechtler, der eine Singular- Zulassung beim OLG hatte und dort tatsächlich im Wesentlichen seit Jahrzehnten im Familienrecht tätig war.
Sind Bescheinigungen nicht "hinreichend konkret" bezüglich der anwaltspezifischen Kenntnisse einschließlich der notwendigen europarechtlichen Bezüge, so sind sie wertlos.
Besondere praktische Erfahrungen gelten als nachgewiesen, wenn der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung im Fachgebiet eine bestimmte Anzahl an Fällen persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat (§§ 5 und 3 FAO).
1. Dauer der Tätigkeit des Rechtsanwalts/der Rechtsanwältin
In diesem Zusammenhang entschied der BGH hinsichtlich des 3-Jahreszeitraums mit Beschluss vom 18.4.2005 (BRAK Mitteilungen 2005, Heft 4, Seite 187):
In Härtefällen kann der 3-Jahreszeitraum nach § 5 FAO verlängert werden. Die Verlängerung ist auf 36 Monate beschränkt. In Betracht kommen hier für insbesondere Fälle, bei denen ein Fall des Mutterschutzes oder der Elternzeit die anwaltliche Tätigkeit eingeschränkt hatte.
2. Die Fallliste (§§ 6 Abs. 3, 5 FAO)
Zum Nachweis des Vorliegens besonderer praktischer Erfahrungen sind Falllisten vorzulegen. Diese müssen regelmäßig (Ausnahmen sind also zugelassen) folgende Angaben enthalten
Auf Verlangen des Fachausschusses sind anonymisierte Arbeitsproben vorzulegen.
Die Falllisten werden gelegentlich mit der Aufforderung, diese systematisch zu erstellen, zurückgeleitet oder der Antrag gleich abgelehnt. Der BGH hat daher, als ihm solch ein Fall zur Entscheidung angetragen worden ist, Vorgaben gegeben.
Kriterien des BGH
Der BGH ist in seinem Beschluss vom 21. Mai 2004 (AnwZ (B) 36/01 = NJW 2004, S. 2748 BRAK-Mitt. 2004,234) der Auffassung, dass die Fallliste nachvollziehbar die Prüfung ermöglichen muss,
Die Fallliste muss eine Plausibilitätsprüfung ermöglichen; sie ist Voraussetzung dafür, die Angaben durch anonymisierte Arbeitsproben stichprobenartig überprüfen zu können. Deshalb sind die aufgelisteten Fälle möglichst genau zu dokumentieren, der Gegenstand sollte so aussagekräftig sein, dass in wenigen Worten die Feststellung der Identität des zu überprüfenden Falls mit der Arbeitsprobe möglich ist. Nur wenn eine Plausibilitätsprüfung anhand der Angaben nicht möglich ist, kann die Fallliste zurückgereicht werden.
3. Der Begriff des „Falles“ i. S. d. § 5 FAO
In hohem Maße problematisch ist in der täglichen Arbeit der Fachausschüsse nach wie vor die Frage, was ein „Fall“ im Sinne des § 5 FAO ist, welche Kriterien im Hinblick auf § 2 Abs. 2 FAO i.V. § 5 Satz 1 FAO zu stellen sind, wann und in welchem Umfang auch zu gewichten ist.
Nach § 2 Abs. 2 FAO liegen besondere praktische Erfahrungen nur dann vor,
"wenn diese auf dem Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, was üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird."
Nach § 5 Abs. 2 FAO können Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle zu einer anderen Gewichtung führen.
Trotz der Betonung der starken Formalisierung des Verfahrens verlangt der BGH, dass
"nachgewiesen ist, dass der Anwalt mehr als in einer Allgemeinpraxis üblich mit Mandaten aus dem betreffenden Fachgebiet befasst ist und die von ihm bearbeiteten Fälle bei einer Gesamtbewertung mindestens (im Verwaltungsrecht) 80 Mandaten durchschnittlicher Bedeutung aus dem betreffenden Fachgebiet entsprechen (BGH, BRAK-Miteilungen. 1996, 128 ff)"
Auch wenn Fälle durchschnittliche Bedeutung haben, sind sie als ein Fall zu bewerten. Es schließt sich somit sofort die Frage an, was ein „durchschnittlicher“ Fall ist und wie – positiv oder negativ – zu gewichten ist. Allgemeine Kriterien lassen sich hierzu nicht aufstellen.
So hat der BayAGH in seiner neueren Entscheidung vom 26.05.2004 (1-13/03) für den Fachbereich Familienrecht betont, dass z.B. psychische Probleme der Parteien, schwierige persönliche Verhältnisse und nicht leicht durchschaubare Vermögensgestaltungen durchschnittlich sind und mit nicht mehr als einem Fall zu werten sind.
Der Nachweis der praktischen Kenntnisse macht nach wie vor den Syndikusanwälten Schwierigkeiten.
a) Die Satzungsversammlung hatte § 5 Abs. 1 FAO zum 01.01.2003 dahingehend geändert, dass der Bestandteil „in der Regel“ entfällt und in der Folge – zum 01.07.2003 (BRAK Mitt. 2003, 67-69) – anstatt „selbständige“ Bearbeitung die Betonung auf „persönliche und weisungsfreie“ Bearbeitung gelegt. Der Wortlaut nun:
"Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass der Antragsteller innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Antragstellung im Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei gearbeitet hat (...)"
b) Grundsätzlich werden daher Fälle im Rahmen der Syndikus-Tätigkeit nicht berücksichtigt werden können. Nur wenn die Syndikustätigkeit weitgehend weisungsungebunden ist und die in freier anwaltlicher Tätigkeit bearbeiteten Mandate von substantiellem Gewicht sind, kann der Nachweis der praktischen Erfahrungen auch bei deutlich geringeren Fallzahlen aus der anwaltlichen Tätigkeit (im entschiedenen Fall waren es bei Antragstellung 22 Fällen, deren Anzahl sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens auf 35 erhöhte) nach § 5 FAO als geführt angesehen werden (Beschlüsse des BGH vom 13. Januar 2003 – AnwZ (B) 22/02; AnwZ (B) 25/02 = NJW 2003, 883 = AnwBl 2003, 233).
Nach § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO sind nunmehr 3 Fachanwaltschaften zulässig. Gegen die ehemalige Beschränkung auf nur 2 Fachanwaltschafte wurde zuvor ohne Erfolg gerichtlich vorgegangen. Daher ist davon auszugehen, dass ohne Änderung der BRAO auch jetzt nicht gerichtlich mehr als 3 Fachanwaltschaften durchsetzbar sein würden.
Zur ehemaligen Beschränkung des § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO auf max. 2 (!) Fachanwaltschaften führte der BGH aus (BRAK Mitteilungen 2005, Heft 4, Seite 188):
Dies bestätigte auch das BVerfG (BVerfG vom 13.10.2005 - 1 BvR 1188/05; BRAK Mitteilungen 2005, Heft 6, Seite 274)
Wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, muss nach § 15 FAO jährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder mindestens an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilnehmen. Die Gesamtdauer der Fortbildung darf zehn Zeitstunden nicht unterschreiten. Dies ist der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen.
Zum 1. März 2010 tritt eine geänderte Fachanwaltsordnung in Kraft!
Der § 15 FAO wird wie folgt neu gefasst:
§ 15 FAO - Fortbildung n.F.
Neben § 15 FAO sind auch die Änderung in §§ 4, 5 FAO hervorzuheben. Gemäß § 16 Abs. 1 S. 3 FAO n.F. gelten die Fortbildungsregeln des § 4 Abs. 2 RVO und des § Abs. 3 S. 2 RVO 1.1.2011. Es wird in diesem Zusammenhang zukünftig nach dem Fachanwaltslehrgang für die Fortbildungsverpflichtungen auf den Lehrgangsbeginn abgestellt. Beginn der Fachanwaltslehrgang im Jahr 2010 und endet erst vorige Jahr 2011, so ist ab dem 1.1.2011 im Umfang der obigen Neufassung des § 15 RVO die Fortbildung nachzuweisen.
Online-Seminare
Das Problem einer Zulassung von Online-Seminaren zur gebotenen fachanwaltlichen Fortbildung bleibt einer verbreiteten vertieften Sachdiskussion innerhalb interessierter fachkundiger Kreise eröffnet, namentlich zwischen RAKn, Fachverbänden und Fortbildungsveranstaltern (BGH, Beschl. v. 6.3.2006, BRAK - BRAK Mitteilungen 3/2006, S. 136-137). Durch die verschärfte Regelung des oben neuen § 15 FAO erscheint es praktisch gesehen relativ schwierig dessen Fortbildungsanforderungen anhand von Onlineseminaren zu erfüllen. Insbesondere erscheint die Interaktion und durchgängie Teilnahme der Teilnehmer untereinander nicht sicherstellbar.
Verstoß gegen Fortbildungspflicht
Eine RAK kann einem RA wegen Verstoßes gegen die spezielle Fortbildungspflicht des § 15 FAO eine Rüge erteilen. Die in einem Rügeverfahren getroffenen Feststellungen und die dem Rügebescheid zugrunde liegende Rechtsauffassung sind, wenn sie von dem betroffenen RA hingenommen werden, für ein nachfolgendes anwaltsgerichtliches Verfahren nicht bindend (AGH Hamburg vom 17.6.2003 - I ZU 9/02; BRAK Mitteilungen 2006, Heft 1, Seite 38).